Anti-Tracking Maßnahmen: Wie sich die Großen nun wehren wollen

Sonstiges
Julia

Die Einführung von Apples Datenschutzrechtlinien werden von Nutzern als gut angesehen. Die Werbeindustrie und vor allem große Firmen sträuben sich, was im Angesicht einer ganz anderen Entwicklung eher heuchlerisch wirkt: Große Firmen bauen sich zur Zeit App-Imperien auf, mit denen sie ihre Datensammlung absichern und weiterhin im großen Stil an Werbung verdienen können. Verlierer sind die kleinen Unternehmen.

Anti-Tracking Maßnahmen: Wie sich die Großen nun wehren wollen

Dass Facebook, Google und andere große Firmen gegen Apples App Tracking Transparency (ATT) Sturm laufen, ist seit längerem bekannt.  Zahlreiche Artikel zeugen von der "Werbewut". Monatelang gab es massive Anfeindungen seitens Facebook gegen Apple und vor einiger Zeit verbündete sich der Konzern sogar mit der Bildzeitung, um gemeinsam vor Gericht zu ziehen. Dabei sieht es in der Realität so aus, dass Firmen wie Facebook ihren Weg finden, die Maßnahmen zu umgehen oder zumindest damit klar zu kommen. Zuckerberg geht sogar selbst davon aus, dass sein Konzern durch die Datenschutzmaßnahmen noch reicher werden könnte. Denn iOS-; oder iPadOS-Nutzer können nur über ihre Daten entscheiden, wenn es um den Datenaustausch zwischen verschiedenen Firmen geht, nicht aber über ihre Daten, die zwischen Apps des selben Herstellers ausgetauscht werden.

Wie große Firmen wachsen und kleine Firmen untergehen

Mit ATT sollen Nutzer selbst entscheiden können, ob sie Apps erlauben, ihr Verhalten und ihre Daten über die App hinweg zu tracken. Damit möchte Apple seinen Kunden die Möglichkeit geben, Privatsphäre besser auszuleben. Aktuelle Zahlen besagen, dass dieser Schritt bei den Nutzern selbst sehr gut ankam: Nicht einmal jeder sechste iPhone-Nutzer weltweit soll das Tracking erlaubt haben. Für die Werbeindustrie ist das ein Dorn im Auge: Vor ATT wurden im großen Stil Daten gesammelt und vor allem für personalisierte Werbung eingesetzt. Je mehr Daten über Nutzer bekannt waren, desto mehr waren Werbeplätze wert. Für Marktriesen wie Facebook ist personalisierte Werbung sogar eine Haupteinnahmequelle. Im ersten Quartal 2021 meldete das Unternehmen, dass 26 Milliarden Dollar fast ausschließlich durch Werbung verdient worden seien. Deshalb rechnen Experten damit, dass Facebook einen Umsatzverlust von 7% durchleben wird. Dementsprechend hat sich vor allem das Unternehmen stark gegen ATT gewehrt und zahlreiche Gründe gesucht, warum Nutzer auf keinen Fall zustimmen sollten. Mehrfach wurden sogar rechtliche Konsequenzen angedroht.

Auf der anderen Seite sieht sich Facebook aber eigentlich als Profiteur durch ATT. Im März sagte Zuckerberg: „Apples Änderungen könnten mehr Unternehmen auf unsere Plattformen bringen, weil es für sie schwerer wird, mit ihren eigenen Daten neue Nutzer zu werben.” Dahinter steckt eine Strategie, die sich nicht nur Facebook angeeignet hat. ATT lässt Nutzern die Wahl, Tracking und Datenaustausch zu unterbinden, aber eben nur zwischen fremden Firmen. Ein Datenaustausch zwischen Apps, hinter denen der selbe Anbieter steckt, ist hingegen kein Problem und kann auch weiter ohne Einwilligung des Nutzers betrieben werden. So können genug Daten zusammenkommen, mit denen dann ein Werbealgorithmus gefüttert werden kann. Ein Beispiel: Facebook betreibt nicht nur Facebook und den dazugehörigen Messenger, sondern auch Instagram und WhatsApp. Daten, die dort erfolgreich gesammelt werden konnten, können dann mit dem Mutterkonzern geteilt werden. In den neuen Datenschutzrechtlinien von WhatsApp war gerade das Thema, denn WhatsApp sollte genau dies tun. Im Moment liegt der Austausch aber noch auf Eis, da ein deutscher Jurist vor das Europäische Gericht gezogen war. Auch Google ist Vorreiter, mit neun vertriebenen Produkten auf iOS. Sofern in den Datenschutzrichtlinien von Googles Apps der Austausch von Daten vermerkt ist und Nutzer diese angenommen haben, ist der Austausch kein Problem.

Andere Anbieter ziehen nach und versuchen ebenfalls, sich ein Netzwerk aus Apps mit einem eigenen Werbealgorithmus aufzubauen. Zynga zum Beispiel ist ein Anbieter von Spielen. Früher vertrieb Zynga nur das Facebook Spiel "Farmville", inzwischen aber gehören der Firma viele weitere Spiele. Der Kauf beziehungsweise die Entwicklung neuer Spiele geschieht nicht rein zufällig: Zynga versucht bewusst, verschiedene Spiele für verschiedene Zielgruppen anzubieten. Laut Bernard Kim, Präsident von Zynga, sei zum Beispiel "Words with Friends" eher an ältere Frauen gerichtet, "High Heels" an jüngere Spielerinnen und verschiedene Casino-Spiele an Männer. Dadurch kann Zynga Daten verschiedener Zielgruppen sammeln und bewusst Werbung schalten. Zusätzlich tätigte das Unternehmen den Kauf der Marketing-Plattform "Chartboost", die den Verkauf von Werbeflächen automatisiert. Eigene Einnahmen sollen somit gesteigert werden, zusätzlich soll Chartboost aber weiterhin autonom bleiben. Dadurch erhofft man sich den Zugang zu 700 Millionen weiteren Nutzern.

Deshalb gewinnen die großen Firmen eher, auch mit ATT. Datenschutzrechtlinien werden in der Regel einfach angenommen, ohne sie zu lesen, da sie lang und schwierig zu verstehen sind. Kleine Firmen haben das Nachsehen, da sie nicht genug Geld haben, um sich ein "Imperium" aufzubauen. Werbeeinnahmen ohne personalisierte Werbung werden nicht genügen, da man als Konkurrenten die großen Firmen hat, die durch Geld und Einfluss ATT geschickt umgehen können. Als Ausweg bleibt oft nur, seine Firma zu verkaufen, wodurch wiederum Facebook und Co profitieren.

Das Errichten eines Werbe-Imperiums ist allerdings nicht neu und war schon vor ATT im Gange. Das unfaire Ungleichgewicht auf dem Markt wird wohl schwierig zu beheben sein, da im Kern kapitalistische Prozesse versteckt liegen, die eine solche Entwicklung vermutlich unumgehbar machen.

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